“Theoretisch waren beide Richtungen der deutschen Sozialdemokratie Lassalleaner. Die Marxschen Lehren kannte kaum jemand in Deutschland in anderer Form als jener, die ihnen Lassalle gegeben – ohne den Urheber zu nennen.  – Was beide Teile trennte, waren Fragen der Parteiorganisation – Lassalle und sein Nachfolger Schweitzer wollten eine Diktatur in der Partei üben, Bebel und Liebknecht verfochten die Demokratie in der Partei. Aber über diesen Gegensatz, so gross er war, hätte man sich hinweghelfen können. Denn die Arbeiter, die sich um Lassalle scharten, standen zu hoch, als dass sie sich hätten eine tatsächliche Diktatur auflegen lassen. Lassalle selbst und noch mehr Schweitzer stiessen mitunter auf recht energische Opposition. Aber was sich nicht überwinden liess, war der Gegensatz der Taktik: Lassalle und Schweitzer mogelten mit Bismarck, den sie (1) nach Kräften unterstützten. Dafür fand dieser keine erbitterteren Gegner als Bebel und Liebknecht. Dieser Gegensatz machte die Spaltung unvermeidlich. Aber der Gegensatz war auf Deutschland beschränkt, ja überwiegend auf Preussen. In Österreich gab es keinen Arbeiter, keinen Socialisten, der etwas von Bismarck hätte erwarten können.” [Karl Kautsky, a cura di Benedikt Kautsky, ‘Erinnerungen und Erörterungen’, Gravenhage, 1960] [(1) In der Abschrift heisst es “sich”. B.K.]